HERBSTLEUCHTEN

DIE GESCHICHTE DER ELEONORE S.

©Jutta Pratsch 2019

 

  Es war wieder einmal so weit, der Sommer nahm seinen Hut und verabschiedete sich freundlich. Die wärmenden Sonnenstrahlen bleiben uns, aber die Tropenhitze, die uns schier die Luft zum Atmen nahm, war nun vorbei. Ein großes Aufatmen, im wahrsten Sinne des Wortes, ging durch den Landstrich. Der Levante Wind streichelt uns nun mit einer angenehm frischen Brise, die uns unsere Lebensgeister wieder gibt. Man merkt es sofort, denn wo wochenlang nur die Strände belagert waren, zeigt sich jetzt das Leben auch wieder in den Straßen und den Läden. Es ist einfach herrlich. Die schönste Zeit für mich, nicht zu heiß, aber warm und angenehm, sodass ich einen klaren Kopf behalte und endlich wieder schreiben kann. Ich wollte ja schon längst und ein paar Geschichten sind auch in der Kühle der Klimaanlage entstanden, aber, es ist nicht das, was es ausmacht. Es gibt nichts Schöneres, als am Meer zu sitzen und seinen Gedanken freien Lauf zu lassen. Dabei in die Wolken schauen und Geschichten ersinnen ist ein Traum, den ich lebe. Immer schon. Gerade als Kind hat mich das immer in eine andere Welt versetzt, wenn ich die reale nicht ertragen konnte. Ganz allein in den frühen Morgenstunden ist es am wundervollsten. Völlig egal welchen Namen wir dem Meer geben, es bleibt immer Meer. Und davon kann ich nie genug bekommen, obwohl ich überhaupt keine Wasserratte in dem Sinne bin. Es muss nur da sein, erreichbar für mich, ich muss es riechen können. Dann ist die Welt in Ordnung. Und so war es schon immer. Das ist der Fixpunkt in meinem Leben, alles andere scheint variabel. Ich könnte mir überhaupt nicht vorstellen in den Bergen zu leben, wenngleich ich sie sehr bestaune und auch bewundere. Auch die Menschen, die auf diese Berge klettern und dabei das volle Leben spüren, wenn sie alle Risiken eingehen. Und die Luft ist natürlich klar und sauber, das muss ich schon zugeben. Allergiker freundlich sozusagen ist das Meer aber auch. Noch sehe ich den Herbst nicht einziehen, aber das latente Leuchten, das sehe ich schon kommen. Mag sein, dass es auch das Wissen ist, aber so genau kann ich das nicht sagen. Hier sind die Jahreszeiten nicht so genau definiert wie in Deutschland. Im Grunde haben wir nur drei, denn selbst im Winter gibt es lediglich Regen, und die Temperaturen gehen stellenweise bis auf ein paar Grad zurück. Wir hatten auch schon mal minus zwei Grad, aber das überstehen sogar unsere blühenden Pflanzen recht gut. Alles nicht so schlimm. Ein Sonnenkind kann gut und gerne auf den Winter verzichten und so eins bin ich, das kann ich nicht ändern. Regen mag ich auch nicht, schon gar nicht auf den Kopf oder in die Augen. Der Verstand sagt mir, dass Regen zwar Segen bringt, aber er fällt ja sowieso, auch ohne meine Zustimmung. Da bin ich froh, so kann mir niemand etwas vorwerfen. Ich habe sogar schon einige Male um Regen gebetet. Als er dann kam, war ich wirklich erstaunt. Könnte also auch sein, dass ich eine Regentänzerin bin, aber wer weiß das schon so genau. Nicht mal der Wind traut sich zu, darauf eine Antwort zu geben.

 

Wie die Jahre doch vergangen sind, so schnell. Jetzt sitze ich hier, älter, aber nicht gebeugt und schaue, immer noch staunend auf das sich stetig bewegende Wasser. Es wechselt seine Farben und die Wellen singen jede Stunde eine andere Melodie. Mir geht es ans Herz und ich summe dazu, denn das Singen an sich ist mir nun im Alter verwehrt. Was hatte ich doch für eine wunderbare Sopranstimme und welche Freude hat es mir immer bereitet, mit den Wellen im Duett zu singen. An sich waren wir ein riesiger Chor, und es gab Stimmen, die gab es eigentlich gar nicht. Verwunderlich? Nein, in meinem Kopf ist und war schon immer alles möglich. Da hilft nur staunen. Und ich staune gerne, genau wie ich auch zunehmend in Erinnerungen versinke. Das ist nun allerdings nicht verwunderlich, denn ich habe fast alles hinter mir und nahezu nichts mehr vor. Das heißt aber nicht, dass ich lebensmüde bin, mitnichten. Ich erfreue mich doch zu sehr an allen Dingen, die mich umgeben. Und das Schönste ist, wenn meine Kinder und Enkelkinder zu Besuch kommen und das jetzt für mich viel zu große Haus mit Leben erfüllen. Vor allen Dingen die jüngeren Enkel toben gerne überall herum und stürzen sich voll Übermut in die Fluten des Meeres. Ich war nie ängstlich gewesen mit meinen Kindern. Sie durften alles ausprobieren und ich habe sie immer unterstützt. Jedoch muss ich zugeben, dass ich heute nun doch manches Mal besorgt bin um die Kleinsten. Mia und Mats, die Zwillinge, waren ja gerade mal erst vier Jahre alt, da durfte sich die Großmutter schon mal sorgen. Aber meistens zog ich nur die Luft durch die Zähne und wartete darauf, dass meine älteste Tochter Annina die beiden berief. Meistens auf eine sehr liebevolle Art und voller Geduld. Diese war mir in früheren Jahren nicht gegeben, aber in zunehmendem Alter habe ich gelernt, ruhiger zu werden. Tut mir auch gut, ich kann eh nicht mehr wie ein Eichkätzchen durch die Bäume hüpfen. Bei dieser Vorstellung huscht mir ein breites Grinsen über das Gesicht. Mein Gott, wie war ich als Kind von Baum zu Baum gesprungen. Ich kann mich sehr gut erinnern, wie übrigens an meine Kindheit überhaupt.

 

Fortsetzung, bitte den Link kopieren und in die Google Leiste einfügen. 

 

 https://1drv.ms/w/s!Au0GS3rVvADOwQQBZ6mJI9cDStN5